Keine Frage, es gibt auch gute Gurus, aber sie sind selten geworden. Jegliche Ausbildung zur Meisterschaft benötigt Zeit, im Minimum zehn Jahre, 30 wären besser. Früher war es üblich, sich so lange ausbilden zu lassen. Das geschah im direkten Kontakt zwischen Lehrer und Schüler. Beide konnten Männer und Frauen sein.
Viele Gurus, die derzeit in der Kritik stehen, können nicht auf so lange Lehrjahre verweisen. Fast immer sind es Männer, das Wort Guru existiert nicht einmal in einer weiblichen Form. Viel zu früh haben sie Macht bekommen. Es fehlt ihnen die Läuterung des Herzens.
Es sind aber nicht nur die Lehrer das Problem, viele Anhänger und Anhängerinnen mit ihrer kritiklosen Verehrung gehören auch dazu. Das liegt an der Zeit, in der wir leben.
Intellektuell sind wir gut ausgebildet, eine emotionale und ethisch-spirituelle Ausbildung kommt in den Lehrplänen nicht vor.
Menschen, die selbst Hilfe suchen, werden leicht zu Opfern.
Viele moderne Gurus, seien es Politiker, Trainer oder religiöse Führer, teilen einen ähnlichen Hintergrund. Sie haben herausragende Eigenschaften, Charisma, können gut reden und sind intelligent, es fehlt jedoch die ethische Grundlage. Der eine trägt einen Titel, den er nicht korrekt erworben hat, ein anderer missbraucht, sexuell und finanziell, seine Schüler und Schülerinnen oder schlägt sie sogar, ein nächster ruft zum Kampf der Kulturen auf, indem er seine Religion erhöht und eine andere herabmindert.
Seit Jahrhunderten ist bekannt, wie man den Guru prüfen soll. Viele Menschen haben davon kaum Ahnung oder wollen sie nicht haben. Das Aufgeben der eigenen Verantwortung wird als zu angenehm erlebt.
Dabei wäre es gar nicht schwer. Man dürfte lediglich am Eingang zum heiligen Raum den gesunden Menschenverstand nicht abgeben.
Um diesen zu kultivieren, gibt es seit alters her Methoden. Sie basieren auf Wissen, Ethik und geistiger Übung. Zu dieser gehören Meditation und Achtsamkeit, die – leider – für sich alleine immer noch nicht genug sind. Auch Untersuchung und Anstrengung gehören dazu. Damit lässt sich viel lernen: einspitzige Konzentration, volle Sammlung des Geistes, Innenschau, allumfassende Gewahrsamkeit, die Kultivierung der Gefühle und der Gedanken.
Der spirituelle Weg ist verführerisch. Er führt zur Macht. Anfänglich über sich selbst und später auch über andere. Das Ego ist trickreich. Benützen Gurus die beschriebenen Methoden nicht dazu, sich selbst zu läutern, kann ihnen die ursprüngliche Absicht, anderen helfen zu wollen, abhandenkommen. Manche meinen sogar, drakonische Missbrauchsmethoden wären hilfreich, weil dadurch der Egoismus ihrer Schüler und Schülerinnen zertrümmert würde.
Deshalb ist es wichtig, dass Lehrer selbst ein fundiertes ethisches Fundament haben und in eine Lehrergemeinschaft eingebunden sind. Nur dadurch kann auf jede Fehlentwicklung sofort reagiert werden. Ist das nicht der Fall, können die Methoden selbstsüchtig dazu verwendet werden, noch mächtiger zu werden. Das ist die Ursache, warum es zwar in wenigen, letztlich aber viel zu vielen spirituellen Gruppen Korruption gibt.
Der spirituelle Weg ist nicht leicht. Als Hilfe gibt es daher den Guru. Seine Bedeutung nimmt jedoch ab. Das liegt nicht nur an der Gefahr, an falsche zu geraten, sondern auch daran, wie sie auftreten. Sie haben oft Tausende und Zehntausende Schüler und Schülerinnen. In solchen Gruppen gibt es kaum noch direkte Lehrer-Schüler-Beziehungen und so kann der Guru der eigenen Entwicklung sogar abträglich sein. Wenn man sich zu sehr auf ihn verlässt, hindert das daran, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.